Geisternetz Bergung in der Ostsee…

 …mit der GRD (Gesellschaft zur Rettung der Delphine e.V.) und prominenter Unterstützung. (12.-15.8.2021)

Wir reden nicht nur, wir handeln auch.

Ein Erfahrungsbericht über unseren Einsatz in der Ostsee.

Auch wenn wir mit Voice of the seas für Aufklärung stehen bezüglich den Schutz unserer Meere mit ihren Leben, so freuten wir uns umso „meer“ eine Einladung zur Geisternetzbergung von der GRD erhalten zu haben.

Doch was wird uns dabei erwarten? Was werden wir finden? Kann ich (Martin) das überhaupt? Auch wenn ich mittlerweile seit über 20 Jahre tauche, schon viel dabei unter Wasser erlebt habe, das Bergen von solchen Netzen ist dabei schon eine ganz andere Hausnummer. Hatte ich Angst davor? Nein, aber einen gebührenden Respekt sicherlich.

Und so fuhren Ines und ich  gemeinsam mit der Biologin Verena Platt von der GRD um Mitternacht zum 12. August los mit Ziel Rügen, wo die GRD bereits seit 2019 mit Wolfgang Frank zusammen arbeitet. Wolfgang hat mit den Bergen von Geisternetzen schon jahrelange Erfahrung und ist ein wahres Zugpferd in der Region auf diesem Gebiet. Mit seinem eingespielten Trupp an Tauchern hat er schon viele Netze rund um Rügen bergen können. Doch dies alleine reicht ihm nicht, auch in der Nordsee ist er immer wieder aktiv unterwegs zum Schutz unserer Meere. Er ist nicht nur ein sympathischer Mensch, er ist ein solcher, zu den man gerne aufsieht. Er hat alles im Griff, ein „geht nicht, gibt es nicht“ kennt er nicht.

Wolfgang Frank mit der Biologin Verena Platt der GRD (Foto: Chris Till)

Alles braucht seine Vorbereitung.

Nachdem wir unseren 1. Tag noch am Strand zur Erholung nutzten (an dem wir nebenbei noch einen spontanen Beach clean up durchführten), bekamen wir abends noch eine Einweisung von Wolfgang über unsere geplante Bergung am nächsten Tag. Denn solche Aktionen brauchen wirklich gute Vorbereitung. Es wurden Unterwasserfilme gezeigt, es wurde erklärt wie dabei vorgegangen wird. Wer macht was unter wie über Wasser. Der Respekt wuchs immer weiter bei mir, aber auch die Vorfreude. Ines und ich konnten es kaum erwarten auf unsere Boote zu kommen.

Tag 1 unserer Mission:

Es war so weit. Nach unserem Frühstück und zwei Tassen Kaffee wurde unser Tauchequipment auf das Aluboot von Wolfgang verladen und mit dem Hänger zum Strand gebracht. 6 Taucher fanden dort Platz, die übrigen 3 Taucher und Ines gingen auf den Fischkutter von Lars und seinem Vater an Bord, die uns bei der Bergung unterstützten. Denn der Kutter hat einen Auslegekran, den wir für die schweren Geisternetze benötigen. Er ist aber auch nötig für den Platz, denn solche Geisternetze sind groß.

Zum Einsatz fertig – Nochmal kurzes Breefing und dann ab in das Wasser

Nächster Stopp – „fliegender Holländer“. Nach 45 Minuten kamen wir mit unserem Aluboot am Wrack an. Der „fliegende Holländer“ ist ein ca. 20m langer Segler, der um 1900 vor Rügen gesunken ist und in einer Tiefe von 25m liegt. Kein Zuckerschlecken, hier Netze zu bergen. Denn es ist relativ dunkel, die Sicht beträgt max. 5m, wenn gearbeitet wird sieht man oft die eigenen Hände nicht mehr durch das aufgewühlte Sediment.

Erschwerend kommt noch die erhöhte Stickstoffsättigung hinzu, die ein Taucher in solchen Tiefen aufnimmt. Wer taucht kennt diese Probleme. Das Thema Stickstoff im Körper kann beim Tauchen lebensgefährlich sein.

Nun ging es los. Zusätzlich zu unserem Tauchgerödel wurde noch so einiges mit aufgepackt. Spezielle Messer, mit denen die Netze vom Wrack geschnitten werden können, Hebesäcke und zusätzliche Pressluftflaschen, mit denen die Hebesäcke mit Luft gefüllt werden können. Viel Ausrüstung, die unter Wasser aber benötigt werden für solche Arbeiten. In geplanter Reihenfolge der Taucher ging es nun auf 25m zum Wrack. Die Sicht nicht besser als an unseren Seen in Bayern, es ist kalt. Doch mit Trockentauchanzug alles kein Problem. Ein schönes komplett erhaltenes Holzwrack offenbarte sich mir. Schön und doch beängstigend zu gleich durch die Geisternetze

Unnötiger Tod – Für diesen im Geisternetz verfangenen Dorsch kam jede Hilfe zu spät. Nicht selten verfangen sich auch Meeressäuger und Seevögel in diesen herrenlosen Netzen.

um ihn. Netze, die weiter Fische und andere Tiere fingen.  Das sahen wir gleich, als der erste tote Dorsch in einen der Netze hing. Jährlich sterben weltweit in solchen herrenlosen Geisternetzen Millionen von Meeresvögel, aber auch Hunderttausende von Schildkröten, Robben, Delphine und Kleinwale wie der Ostseeschweinswal. Der Ostseeschweinswal zwar nicht in dieser Gegend um Rügen, hier ist das Wasser zu wenig Salzhaltig, doch in anderen Teilen der Ostsee.  Und genau diese Gründe bewegen uns zu unserem Handeln. Der unnötige Tod von diesen Tieren durch verloren gegangene Kunststoffnetze, die teils schon über 50 Jahre hier unten weiter töten.

Wir machten uns an die Arbeit, die Zeit auf unseren Tauchcomputern läuft schließlich rückwärts. Wir schnitten die Netze frei, immer zu zweit. Hebesäcke wurden angebracht und ein wenig Luft eingefüllt. Und wieder weiter geschnitten und überprüft, ob unser Netz schon frei wird vom Wrack. Harte Arbeit, die sicherlich nichts sein sollte für gelegentliche Urlaubstaucher. Denn Stress unter Wasser kann schnell zu Panik führen, der in solchen Tiefen tödlich enden kann. Doch der Trupp von Wolfgang ist eingespielt und selbst habe ich ja schon genügend Taucherfahrungen in allen Tiefen. Und doch ist es harte Arbeit, eine neue Erfahrung für mich. So freute ich mich hier unter Wasser umso mehr, als wir die ersten Netze vom Wrack befreien konnten, die Hebesäcke ganz befüllten und zur Oberfläche hinauf schossen. Ein schönes Gefühl, denn diese Netze werden keine Tiere mehr unnötig töten.

Bergung eines Geisternetzes – Jeder weiß, was er zu tun hat.

Nach diesen Tauchgang, einer Oberflächenpause von 2 Stunden und einen weiteren Tauchgang an diesem Platz konnten wir das Wrack mit guten Gewissen wieder alleine in der See lassen, denn alle Netze wurden von ihm entfernt. Auch Ines war happy. Hat sie zwar einen Tauchschein, solche Aktionen sind jedoch nichts für sie. Doch an Bord des Fischkutters war genügend Arbeit, wo sie sich einbringen konnte. Viele lebendige Krabben befanden sich noch in den Netzen, die sie liebevoll mit den beiden Fischern befreite und wieder in das Wasser entließ. Auch die Hebesäcke mussten wieder sorgfältig zusammengelegt werden für den nächsten Einsatz, was sie mit Freude erledigte.

Entladen des Kutters – War der Hänger anschließend leicht überladen?

Der Tag ging zu Ende, gegen 16 Uhr kamen wir wieder an am Hafen. Mit voller Stolz verluden wir den Autohänger mit zwei Schwerlastsäcken voller Geisternetze. Ganze 900kg konnten wir davon der Ostsee in nur einen einzigen Tag entreißen. Ein wahrhaft gutes Gefühl umgab uns alle, selbst den beiden Fischern und der routinierten Tauchtruppe.

Große Freude – Diese Netze werden nicht „meer“ sinnlos töten.

Tag 2 unserer Mission:

Wir wachten auf, wir waren platt. Der vorherige Tag war echt anstrengend. Nach einer Tasse Kaffee wuchs unsere Freude erneut auf den weiteren Bergungstag. Doch heute gab es weitere Unterstützung. Bereits am vorigen Abend kamen zu uns die beiden Schauspieler und Delphinbotschafter der GRD, Tessa Mittelstaed und Matthias Komm (Bekannt aus Tatort, Schimanski), wo wir sie persönlich kennen lernen durften beim gemeinsamen Abendessen. Nach dem Frühstück mit ihnen in einer Bäckerei ging es dann auch schon

wieder zum Hafen, wo unsere Schiffe warteten. Und nach einem Interview der beiden Botschafter mit der dpa ging es auch wieder los. Die heutige Mission – ein ehemaliger Zerstörer, der vor Rügen im zweiten Weltkrieg gesunken ist. Zwar wurde vom Wrack das meiste in der Nachkriegszeit demontiert, es war aber immer noch genügend Stahl vorhanden, wo Netze hängen geblieben sind. Also, wieder aufrödeln und ab ins Wasser, diesmal jedoch nur auf 10m. Und doch freuten wir uns, dass Tessa und Matthias unter Anleitung von Wolfgang selbst mit Hand anlegten. Auch sie sind zwei ganz besondere Menschen, die nicht nur reden, sondern auch handeln. Und das muss gebührend erwähnt werden und verdient größten Respekt.

Gemeinsam arbeiten – Die Delphinbotschafter der GRD, Tessa Mittelstaed und Matthias Komm mit Wolfgang Frank (Foto: Ostsee Zeitung)

Das Wrack war Geisternetzfrei, unsere Arbeit war getan. Doch leider neigte sich damit auch unsere kurze Mission dem Ende zu. Alles an Netzen wurde wieder vom Kutter auf den Hänger verladen, doch diesmal fiel auch für uns ein wenig was ab. Für was? Wir, genauso die GRD braucht von diesen Netzen einiges als Anschauungsmaterial. Doch was uns richtig stolz macht- wir werden nach der Reinigung dieser Netze einiges color swell übergeben, die genau aus solchen Netzen Armbänder, Schlüsselanhänger und vieles “meer“ up cyclen. So finden diese Netze doch noch einen sinnvollen Zweck.

Sinnvoller Nutzen – Color swell aus München produziert aus solchen Geisternetzen unter anderem schöne Armbänder
Wieder zu Hause angekommen – Hier wartete nochmals viel Arbeit auf uns. Mit viel Liebe entzwirnten wir einen Teil der Geisternetze, die wir mit nahmen. Unsere Katzen freuten sich, die ganze Hofeinfahrt roch nach Fisch.
Erschreckend Fund – Beim reinigen der Netze fanden wir dieses Kiefernteil. Ist es von einem Meeressäuger? Wir wissen es nicht.
Ein Teil der mitgenommenen Netze – Einiges davon bekommt die GRD, einiges behalten wir als Anschauungsmaterial.
Zum reinigen bereit – Die Netzfragmente wurden zu kleinen Päckchen geschnürt und in biologisch abbaubares Spülmittel eingelegt.

Eine Erfahrung, die uns keiner „meer“ nehmen kann.

Es war nicht nur die Erfahrung unter Wasser bzw. an Bord des Fischkutters, die wir bei unserer Mission sammelten. Es waren auch die Gespräche mit den Fischern, die uns vieles erklärten. Oft werden genau diese Fischer als Sündenböcke  der gesamten Fischerei dargestellt, obwohl sie mit ihren kleinen Kuttern meist nachhaltig denken. Wenn jemand verurteilt werden sollte, dann sind es die großen Industrietrawler, die ohne Sinn und Verstand unsere Weltmeere leer fischen.  Es waren aber auch die Gespräche mit Wolfgang und den Tauchern, die uns zum Nachdenken anregten. Ihr unermüdlicher, teils ehrenamtlicher Einsatz für die Meere zeigte uns, dass es noch Menschen gibt, die immerzu kämpfen für die Meere, für die Zukunft unserer Kinder. Sie agieren meist lautlos, ohne dass es die Allgemeinheit überhaupt mitbekommt. Es sind Menschen, die bewusst oft wenig Netz von einem Wrack bergen, jedoch hinterlassen sie es dafür letztendlich komplett Geisternetzfrei. Auch sie verdienen den größten Respekt.

Einen großen Dank und größtes Respekt auch an die GRD, die uns zu unserer Aktion verhalfen. Auch wenn diese Organisation für ihr 30jähriges Bestehen noch immer klein ist, so bewirken sie weltweit großartiges mit ihren Kampagnen. Seht einfach mal auf ihre Homepage, ihr werdet staunen, was wenige Menschen bewirken können.

Noch zu Schluss ein großes Dankeschön an die Delphinbotschafter der GRD, Tesssa Mittelstaed und Matthias Komm. Ihr seid ein Prachtpaar, ihr seid der Hammer. Und Matthias, vielleicht liest du diese Zeilen. Deinen letzten Satz vor eurer Abreise, den du zu mir sagtest werde ich nicht vergessen. So mit: …von der Backe. Ich hoffe du weißt, was ich meine. Danke euch beiden, ihr macht einen super Job – ihr redet nicht nur, ihr handelt auch.

Der letzte Dank geht an alle, die meinen Erfahrungsbericht über unsere Geisternetz-Bergungsaktion gelesen haben. Denn jede Stimme zählt, jedes Interesse zählt, jedes Mitgefühl zählt für unsere Meere.

Danke

Martin

Wer gerne „meer“ über die GRD oder color swell erfahren möchte, hier die links dazu.

color swell – handmade design
GRD – für meer leben

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